Einige abschließende Gedanken zur Arbeit der @Polizeisachen während der gewalttätigen Proteste in Chemnitz. Ich war vor Ort und denke: Die Polizei hat unendlich viel durchgehen lassen und die Neonazis damit ermutigt.
Montagabend, nachdem die Polizei es schon am Vortag nicht schaffte, die Bürger von Chemnitz zu schützen, stand sie erneut in völliger Unterzahl einer großen Menge gewaltbereiter Neonazis gegenüber.
Der Verfassungsschutz hatte gewarnt, dass mehrere tausend Demonstranten kommen würden. Warum letztlich nur 591 Polizisten im Einsatz waren, darüber wird spekuliert:
Hat die Polizeiführung die Lage unterschätzt?
Wurde ein Fehler gemacht beim Anfordern von Unterstützung?
Wäre die Unterstützung zu spät eingetroffen?
Unabhängig davon war die Polizei am Nachmittag und den frühen Abendstunden in der Lage, die Neonazis im Schach zu halten, Journalisten und Gegendemonstranten zu schützen.
Dies änderte sich um 19.55 Uhr. Eine große Gruppe Rechtsradikaler stürmte in diesem Augenblick in Richtung der Gegendemonstration, schleuderte Böller und Flaschen. Die erste Polizeikette wurde weggestoßen, erst die zweite konnte einen Durchbruch verhindern.
Im Anschluss wurde es zwar nicht ruhig, aber die Polizei hatte die Kontrolle zurück.
Was die Polizei dann tat, erschließt sich mir nicht: In diesem Moment hätte die Polizei die rechten Gewalttäter einkesseln können, um Personalien festzustellen. Auswärtige wären zum Bahnhof gebracht worden, der Rest nach hause geschickt.
Stattdessen ließ sie die Rechtsradikalen ihren Demozug formieren und loslaufen. Weil es so viele Rechte waren, konnte die Polizei mit ihren wenigen Kräften keinen Kessel mehr bilden.
Die Folge: Nur hundert Meter weiter brach ein kleiner Schlägertrupp aus dem Demozug aus und stürzte sich in eine Gruppe von Zuschauern, Gegendemonstranten und Journalisten. Mindestens ein junger Mann wurde geschlagen, bevor vier Polizisten hektisch angelaufen kamen.
In der folgenden Stunde lief der Demozug weitgehend unkontrolliert eine Runde durch die Stadt. Nur alle 50-70 Meter flankierten einige Polizisten den Zug.
Ich hörte mehrere Funksprüche mit, die klar ausdrückten: Auch die Polizisten wussten, dass sie zu wenige Kräfte vor Ort hatten, um die Neonazis zu kontrollieren.
An einer Stelle explodierte erneut ein Böller. Die Neonazis stürmten auf die Polizisten zu, hinter denen ich mich zu meinem Schutz aufhielt. Ein Beamter brüllte mich an: "Weg da hinter uns!" Ich rief, ich sei Journalist, doch er drängte mich in den Neonazi-Aufzug.
Später dann, als die Neonazi-Demo sich auflöste, verlor die Polizei vollends die Kontrolle. Kleine Schlägerstrupps schwärmten aus und machten Jagd auf Gegendemonstranten. Die Bilanz des Abends: 18 Verletzte Bürger, zwei verletzte Polizisten. Das hätte verhindert werden können.
Dann der „Trauermarsch“ von #AfD und der rechtsradikalen Kleinstpartei ProChemnitz am Samstag #c0109.
Dieses Mal war die Polizei in ausreichender Stärke angerückt.
Neonazis und andere Teilnehmer der Demo verletzten dennoch zahlreiche Journalisten. Darüber wurde schon an anderer Stelle ausführlich berichtet, weshalb ich etwas anderes herausstellen möchte.
Gegen acht Uhr abends lief eine Gruppe von schätzungsweise 150 gewaltbereiten Rechten vom Karl-Marx-Denkmal in Richtung der Gegendemonstration vor der Johanniskirche.
Die Polizei riegelte die Straße mit einer Kette aus Beamten ab. Der rechte Demozug lief weiter, brüllte: „Straße frei!“, drängte gegen die Polizeikette, schleuderte Gegenstände.
Die Kollegin @PascaleMller wurde von einer vollen Bierdose an der Schulter getroffen, ich von einer Plastikflasche am Kopf.
Es kommt zu Schubsereien, ein Rechter schlägt einen Polizisten mit der Faust, der Lautsprecherwagen der Polizei fordert die Rechten auf: „Es findet keine Spontankundgebung statt. Verlassen sie den Platz!“
Und dann, nur Minuten später, obwohl die Rechten schubsten, schlugen und Flaschen warfen, und eine Spontankundgebung verboten wurde, öffnet die Polizei ihre Kette und die Rechten dürfen weitermarschieren.
Ich habe so etwas noch auf keiner anderen Demo gesehen.
Es gibt dann noch dieses Video, von einem Rechten, der einen Polizisten anbrüllt: „Du hast doch noch nie eine Fotze gesehen, weil du schwul bist, du Affe.“
Der Twitter-Account der @polizeisachsen kommentierte das lapidar mit: „Homosexualität als Beleidigung? Unserer Meinung nach nicht!“
=> Weiter im zweiten Thread.
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